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Katrin: Spät aufgestanden. Superwetter: Südwind (=Rückenwind!). Frühstück am Campingplatzteich mit dem letzten Liter Milch aus dem Campingplatzshop (halbe Liter gab es leider nicht).
Anfang der Tour über die stressige (grüne) A5. Aber danach sehr nett durch grünhügelige Landschaft, vereinzelte Bauernhäuser. Sonnenschein, aber nicht zu warm. Bauernhäuser meist relativ uninteressant, aber vereinzelt auch hübsche Fachwerkelemente, einmal total unregelmäßig. Eine bunte Wellblechkapelle der Mennoniten mitten in einer grünen Wiese direkt am Straßenrand: schwedenroter Wellblechwürfel mit einem Giebel aus grün-weißem Fachwerk. Schade, kein Photo. Fast ohne Verfahren ratzfatz in Ellesmere, mit einer längeren Pause in Baschurch: Enorm stille trutzige rote Kirche (direkt daneben ein Pub, wie so oft) mit Sandgrabsteinfriedhof und Sonnenuhr. In der Kirche Liste der freundlichen Spender für die Armen (meist hatten sie der Kirche Geld gespendet, damit die Armen an Weihnachten Brot bekamen - was haben die den ganzen restlichen Winter wohl gemacht?) auf einer von zwei alten schwarzen Holztafeln mit Goldrand im Eingangsbereich. In der Kirche Teppich, wahrscheinlich mitverantwortlich für die raumausfüllende Stille. Der Eingang zum Kirchhof war überdacht und darunter standen netterweise zwei Bänke. Schatten für Siegfried, der draußen blieb.
Nächster großer Halt in Ellesmere. Wir pausierten im Pub Beergarden. Knuffige Kneipenwirtin mit braunem Pferdeschwanz und britischer Fahne aus Pailletten auf dem T-Shirt. Interessanter Akzent - walisisch? Konnte erzählen wie ein Wasserfall und mag Menschen und reden. Ich hieß plötzlich "Chuck" und "Flower" (Huch!) und das Rad "Rolls-Royce Tandem". Sie spekulierte, Sigi sei wohl kein "millionaire in disguise" (War sein Hemd zu zerissen oder nicht zerissen genug? - Es ging darum, daß sie meinte, wir könnten doch bestimmt den Tip gebrauchen, daß Aldi ein billiger Laden sei.)
Danach durch die Stadt zur Touri-Info, vorbei an einem dekorativen Bonbongeschäft. Das ganze Zentrum sah klein und übersichtlich aus. Tourismus wohl nicht ganz unwichtig, aber man fühlte sich trotzdem wie in einer gemütlichen kleinen Stadt. Touri-Info hatte alle möglichen Informationen, leider auch falsche über Weg am Kanal entlang: Es war nämlich kein Radtreidelpfad, wie sich dann herausstellte, sondern wiesenbewachsen und vermutlich mit Kopfsteinpflaster darunter.
Kurz nach Verlassen des Pfades (nach einem Stöckchenbringehund mit langem rostigem Nagel in der Latte, die er apportierte - Angst um Reifen und um meine Finger) sprang uns dann die Kette ab. Das Schloss mitsamt Halterung hatte sich heruntergewackelt (dämlicher hopsiger Treidelpfad!) und die Gangschaltung verbogen und dadurch hatte sich die Kette innen um die Tretlagerachse gewickelt und es war ziemlich schwer, sie wieder herauszulocken, besonders mit einem hibbeligen Sigi, der sich anfangs partout nicht helfen lassen wollte. Irgendwann hat es dann mit vereinten Kräften, Schraubenzieherhebel und diversen anderen zweckentfremdeten Werkzeugen geklappt.
Das größere Problem war allerdings, daß die Gangschaltung danach nicht mehr funktionierte und wir an einer schmalen gewundenen hügeligen Straße mit hohem Grünzeug links und rechts standen. Bei jedem Auto (zum Glück nicht viele) mußten wir uns in die Hecke mit Brennesseln quetschen. Sigi schaffte es, die Schaltung dann so einzustellen, daß wenigstens das mittlere Kettenblatt funktionierte und wir sind bis in den nächsten größeren Ort (St. Martin) auf einen Platz mit Bänken gefahren. Durch den Treidelhopsweg (der optisch durchaus lohnenswert war) waren wir, bezogen auf unser Ziel, sogar "rückwärts" gefahren. In St. Martin gab es eine Menge interessierter, hilfsbereiter aber leider hilfloser, Leute bis nach einer Weile ein braungebrannter Radrennfahrer mit hier viel gesehenem neongelben Oberteil und typisch englischer Oberlippe vorbeikam und fragte, ob alles ok sei. Er schien ein Ja zu erwarten, blieb dann auf unser verzweifeltes NEIN aber hilfsbereit stehen. Er blieb dann eine ganze Weile und versuchte zu helfen, nicht nur was die Gangschaltung anging, auch mit Tips zur weiteren Streckenplanung. Er wußte aber leider nicht, ob in Llangollen noch ein Radshop kommen würde. Wir sind letzten Endes nach Chirk, dem Tip eines Innkunden am Wegrand folgend, der uns den Weg zu einem B&B erklärt hatte. Nur leider stellte sich dann heraus, daß es den B&B nicht mehr gab. Zum Glück aber ganz in der Nähe einen großen kräftigen weißhaarigen Waliser mit kleinem schwarzen Hund, der für uns aus seiner wuseligen Küche herumtelefonierte und ein B&B fast in Llangollen für uns auftrieb. Wie sich herausstellte, gab es an der Strasse nach Llangollen zahlreiche von den Dingern. Naja.
Unseres war besonders putzig. Eine ganze Weile nachdem wir geklingelt hatten, tauchte eine hellblondierte Dame mit goldenen Pantöffelchen auf dem Balkon auf. Das Haus war ziemlich unübersichtlich würfelig. Und unser Zimmer! Eine Tapete: beige orange goldenes Paisleymuster, pink-dunkelpink wellig gemusterter Teppich, eine gemauerte Wand , ursprünglich wohl weiß gestrichen, dunkelgrüner Sekretär vor dem Fenster. Zwei dunkle Holzimitat-Klappbetten mit rosageblümter Bettwäsche. Und ein schmutzigweißer Einbauschrank mit Schiebetüren. Türkises Bad mit zu großem Teppich und Scheuerschaden in der Wanne. Wände sehr dünn, denn man konnte aus dem Nachbarzimmer noch Stimmen hören. Wie sich am nächsten Morgen herausstellte, gehörten die zu anderen Gästen.
Über Anregungen und Kommentare freut sich Siegfried Schlawin .