Island im Nordwesten

Di., 21.07.1992 - Anreise II (Reykjavik nach Holmavik)

Wir alle schlafen nicht besonders gut. Es ist uns einfach zu hell. Dunkler als bei uns die Dämmerung wird es in diesen Tagen nie. Gut, dass wir eine Uhr dabei haben. Meine innere Uhr versagt hier ziemlich. Wir geben die Rucksäcke ab und machen uns schon um kurz nach sieben auf den Weg um Lebensmittel und eine Landkarte zu besorgen. Die anschließende Busfahrt über die Ringstraße und durch Fjorde und über Landzungen fantastische Ausblicke. Dirk bekommt davon nur wenig mit. Er verschläft den größten Teil der Fahrt. Seine kleine Rollei ist unerreichbar im Rucksack in der Ladeluke und so bleiben nur meine flüchtigen Eindrücke. Die Pausen an den Tank- und Bewirtungsstellen lassen wir aus. Wir versorgen uns am Etappenziel in Holmavik mit einem Joghurt und Keksen. In einem kleineren Bus geht es dann noch ca. 13 km weiter bis zur Farm Bolstadur, wo wir dann laut "Stoppa" rufen und unter staunenden Blicken der Mitreisenden mitten in der Pampa aussteigen. Noch haben wir einige Lebensmittel nicht verpackt und so stiefeln wir mit unseren riesigen Rücksäcken und einer Tüte in der Hand unsere ersten vier Wanderkilometer bis wir den beschriebenen Einstieg in den alten Postweg gefunden haben.
Zeltkulisse
Eine verlassenen wirkende Farm, Schafe und Islandponies; dazu eine schöne Wiese zum Zelten und jede Menge Wasser. Das Zelt ist fix aufgebaut und alles eingerichtet. Die gekauften Lebensmittel werden in die mitgebrachten Beutel und Dosen verstaut. Um kurz nach 19:00 Uhr sind wir fertig. Eigentlich wollen wir dann kochen, aber wir sind beide etwas schläfrig nach der letzten Nacht und beschließen erst eine Stunde zu ruhen. Das Zelt verlässt in dieser Nacht keiner mehr!!

Mi., 22.07.1992 - erster Wandertag

Als erstes holen wir unser Abendbrot nach: Nudeln mit Gewürzmischung Magherita. Oberhalb der Farm am sprudelnden Bach und strahlenden Sonnenschein schmeckt das einfach phantastisch. Dann geht es ans packen. 30kg Etwas mulmig wird uns dann schon, als wir die voll ausgezogenen Cerro Torre II vor uns sehen. Dirk geht erst einmal Pferde jagen, währen ich Tagebuch schreibe. Nachdem die Steinhaufen als Wegmarkierung gegen die Leitungsmasten gesiegt haben, geht es los. Wir wollen dem/der Trekyllisheidi folgen und am Abend die Bucht Reykjafjördur erreichen. Eine Steinwüste liegt vor uns. Vegetation gibt es praktisch keine, außer ein paar Flechten und Moos. Zwar wissen wir, dass wir auf einem alten Postweg unterwegs sind, dann und wann sind auch die einfachen Holzmasten zusehen, aber wir haben es eindeutig nicht mit kultiviertem Land zu tun. Nahezu unberührtes Land. Ein irres Gefühl.

Leider geht als wir uns zur ersten Pause niederlassen, gerade die Sonne weg. Überraschend ist für uns beide, dass wir schon zweieinhalb Stunden unterwegs sind. Bei der nächsten Pause, wir haben gerade das erste Schneefeld überquert, haben wir mehr Glück mit der Sonne, sodass uns der Wind nicht wieder so schnell hochtreibt. Immer wieder müssen wir größere Umwege machen, um Flussläufe oder größere Wasseransammlungen zu umgehen. Die längste davon führt uns nach 45 Minuten an ein Schneebrett über einen Fluß. Obwohl es schon stark ausgehöhlt und von beiden Seiten eingerissen ist, wagen wir den Übergang und haben Glück. Was hätten wir nur gemacht, wenn einer da eingebrochen wäre? Als wir unsere große Mittagspause einlegen wollen, stellen wir fest, dass es schon 19:00 Uhr ist!! Eine halbe Stunde später können wir das erste Mal unser Etappenziel sehen. Als wir erneut eine halbe Stunde später vor einem breiteren Wasserlauf stehen, über den es keine sichtbare Furt gab, entschließen wir uns den Morgen und damit den geringeren Wasserstand für einen Übergang abzuwarten. Die Entscheidung erweißt sich in mehrfacher Hinsicht als richtig, denn als wir gerade das Zelt errichtet haben, fängt es an zu regnen. So bereiten wir dann unsere italienische Gemüsesuppe mit ganzen Zucchinischeiben im Zelt zu und genießen in den Schlafsack eingemummelt. Bis kurz vor Mitternacht lesen wir (Dostojevski "Die Brüder Karamasov") und hören Radio (SWF3 auf Kurzwelle 7.265) - welch ein Luxus.

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Über Anregungen und Kommentare freut sich Siegfried Schlawin .

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