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Katrin: Nach einer kurzen Frühstückspause mit den mageren verbliebenen Vorräten (der Großteil war schon nach der Zugfahrt verschwunden), sind wir wieder eingedöst bis kurz vor der Ankunft. Harwich war schon nah, als wir auf Deck kamen und der Regen, zum Glück,verschwunden. Der Himmel sah aber immer noch sehr grau aus, passend zu dem englischen Hafengebäude an dem wir vorbeifuhren. Die Unmengen von bunten Containern daneben heiterten das Bild etwas auf. Bei der Abfahrt vom Autodeck gab es noch mal eine ordentliche Prise Harleyluft, ein kurzes Gespräch mit zwei englischen Radlern, die von einer Tour bis nach Prag zurückkamen, und nach einer schnellen Paßkontrolle waren wir in England. Als erstes ging es zu Safeway, unsere knurrenden Mägen beruhigen. Leckeres Brot (mit französischem Namen), Farmhouse Cheese, etwas bröckelig aber auch sehr lecker, Joghurt, Milch, Crêpes mit Schokolade, ein wahres Schlemmerfrühstück. Das Frühstückslokal, der überdachte Fahrrad-/Motorradbereich auf dem großen Safeway-Parkplatz, hätte allerdings etwas romantischer sein können.
Ein älteres Ehepaar, nach einem netten Weg nach Sudbury für Radfahrer gefragt, wollte uns über die Hauptverkehrsstraße dorthin schicken - typisch Autofahrer. Ein Mann auf einem Elektrofahrrad verriet uns dann seinen Weg nach Harwich, von dem das Ehepaar gemeint hatte, "there is nothing to see". War da aber, jede Menge. Allein der Weg nach Harwich war schon ganz interessant, teilweise am Wasser vorbei. In Harwich sahen wir dann massenweise niedlicher kleiner englischer Backsteinreihenhäuser und Pubs. Der Ort war ziemlich schnell durchquert und die angenehm hügelige grüne Agrarlandschaft mit Bäumen, Hecken, vereinzelten Häusern und kleinen Ortschaften begann. Der Himmel blieb grau, aber die Mohnblumen auf den Feldern und Rosen und Lupinen in den Gärten sorgten für Farbtupfer, manchmal auch die Häuser. Es gab hellgelb verputzte und orange Häuser, hellgrüne und welche aus rotem Backstein, teilweise mit gelbem gemischt und auch viel Fachwerk. Jede Menge verwinkelte Bauten mit Erkern, Mansardenfenstern und Strohdächern. Viele Häuser sahen gerade groß genug für ein Zimmer aus, andere als wären sie nicht mal tief genug für eins. Es kamen auch immer mal wieder Holzhäuser oder sogar ganze Gehöfte aus Holz, und einige Steingebäude wirkten als stünden sie seit dem Mittelalter dort. Von dem angeblichen Nationalhobby, der Gärtnerei, war nicht so viel zu merken. Einige Vorgärten sahen nach fleißiger Arbeit aus, und irgendwo am Wegrand kam plötzlich gepflegter Rasen direkt neben einem Kornfeld, aber lange nicht jeder Garten war ein Schmuckstück.
Die Landschaft war aber auch so sehr angenehm für's Auge. Sattgrüne Hügel mit gelegentlichem Baumbestand so weit man sehen konnte. Die Steigungen waren nie unangenehm lang und besonders die kleineren, teilweise einspurigen Straßen waren kaum befahren und gut geteert und die Autofahrer immer sehr fahrradfreundlich. Bei unserer Mittagspause am Wasser kurz vor Manningtree hielt ein Mann im Mini-Laster an und fragte, was das Rad kostet, musste dann allerdings schnell weiter, weil sich eine Autoschlange hinter ihm staute. Der Preis ("That's a lot!") hat ihn vielleicht auch abgeschreckt. Der Pausenplatz war super, nicht wie der bei Safeway, wo wir im Stehen gegessen hatten. Hier gab es ein richtiges Holzdach über einem Pavillon, der allerdings dummerweise aus Backstein und folglich kalt am Rücken war. Dafür konnten wir jede Menge Schwäne beobachten und eine paar Segler, die ihr trockengefallenes Boot anschoben. Nach einem Apfel und ein paar Bissen Brot ging es weiter. Wenn ich Rad fahre könnte ich in jeder Pause die halbe Packtasche leer essen.
Noch mehr malerische Dörfchen. In vielen gab es eine kleine mittelalterliche Kirche, oft mit alten Grabsteinen drumherum. Wenn Ortschaften auf einer abfallenden Strecke lagen, waren wir leider oft etwas schnell daran vorbei. Mein Chauffeur ist etwas freundlicher zu den Bremsen als ich es wäre. Die Tageshöchstgeschwindigkeit lag bei 45 km/h, womit wir an das Speedlimit von 30 Mph herangekommen sein dürften. Eigentlich ziemlich unvernünftig. Der Anhänger hat sich daran nicht gestört, und ich mich erstaunlicherweise auch nicht, was vielleicht daran gelegen hat, daß ich zeitweise auf den Tacho und nicht auf die vorbeirasende Straße gesehen habe.
Insgesamt sind wir wohl heute etwa 70 km gefahren, zwischen 11:15 ab Safeway und 17:30 Campingplatz in Little oder Great (?) Cornard vor Sudbury. Obwohl es den ganzen Tag grau war, hatten wir mit dem Wetter Glück. Es war Regen vorausgesagt und Siegfried hatte schon auf der Fähre einen Radlstreik angedroht, unter anderem auch, weil er keine lange Radhose eingepackt hatte (jaja...). Es fing dann jedoch erst bei unserer Ankunft auf dem Campingplatz zu nieseln an. Seitdem wir hier sind, regnet es mehr oder weniger stark.
Der Platz ist ganz nett, viel Grün und mit Ententeich (die Enten watscheln gelegentlich ums Zelt und gackern dabei, aber sie wirken freundlich). Ein Wohnwagennachbar hat jedoch konstant ziemlich laute Musik an. Naja, und einen weiteren Nachteil gibt es, aber dafür kann der Platz nichts: Wir haben vergessen, Spiritus zu kaufen. Und das ist uns erst aufgefallen, als wir von unserer Tour zum Dorfladen wieder am Zelt waren. Also gab es kalte Baked Beans aus der Dose.
Wenigstens hatten wir unterwegs schon heißen Tee. Ach so, das habe ich bisher unterschlagen. So etwa eine Stunde vor Ende der heutigen Tour haben wir noch eine Pause gemacht und uns die ersten Kannen englischen Tees mit Milch gegönnt - mmmh! Wir haben draußen gesessen, so daß wir das Rad sehen und abdampfen konnten. Es war zwar etwas kühl, aber nicht kalt.
Über Anregungen und Kommentare freut sich Siegfried Schlawin .