England/Wales

02.06. Sudbury - Cambridge (76km / 143km)

Sigi: Nach einer Regennacht werden wir positiv überrascht, dass um kurz vor 9:00 Uhr - wir haben gerade zusammengepackt - die Sonne herauskommt. Tatsächlich bleibt es wieder trocken!! Heute macht uns der Wind zu schaffen. Konstant bläst er uns kräftig entgegen. Entsprechend kaputt ist Katrin heute. Gerade habe ich den neuen, für die Tour angeschafften Lenker noch einmal umgebaut. Mal sehen, ob es was bringt.

Die Küche bleibt auch heute wieder kalt — allerdings weil wir keine Lust zum Kochen haben - Spiritus haben wir mittlerweile sogar erwerben können. Dank des schönen Wetters ist das heute Morgen feucht eingepackte Zelt auch schon wieder trocken. Einzige Kritik am Keron (neu) so weit: Von der Reißverschlussabdeckung tropft es, beim Rein- und Rausgehen. Der Aufbau ist durch die Züge an den Heringsschlaufen deutlich einfacher gegenüber meinem Hilleberg-Nachbau vorher. Die Bodenwanne ist höher und die Innenzelteingänge sind durch wesentlich größere Moskitonetze geschützt. Vorteil: die Lüftung ist viel besser zu regulieren. Die zwei gegenüberliegenden Eingänge tun ein übriges. Den Mehrplatz merken wir zwar, können ihn aber noch nicht so richtig nutzen. Da muss erst noch ein Konzept entwickelt werden. Heute weihen wir auch die von mir genähte Unterlage ein. Funktioniert prima — dickes Lob an mich selbst.

Ich entschließe mich bei der kurzen Radhose zu bleiben (habe auch keine andere Wahl), Sport-Unterhemd (wie immer), T-Shirt und Seidenhemd. Als Windschutz trage ich meine Windstopper-Weste. Das langt prima.

Katrin: Vom Zeltplatz an wurden die Hügel langgezogener, aber sie blieben nach wie vor sattgrün. Grüner geht's gar nicht. Und die Strohdachhäuser blieben weiter ausgesprochen niedlich. Meist weißverputzt und immer mit dem Strohdach tief heruntergezogen, als würden sie sonst kalte Ohren bekommen. Sie sind wesentlich kleiner als die Strohdachhäuser, die ich in Deutschland so kenne, und haben eigentlich immer mindestens ein Fenster im Dach. Hutzelige Hexenhäuschen. Besonders malerisch ist es, wenn noch ein wuselig-bunter Blumengarten davor ist. Leider kam so etwas bisher nur in Verbindung mit extrem grauem Himmel vor, also habe ich kein Photo gemacht.Kirchturm Ein weiteres Merkmal der Gegend, durch die wir gekommen sind, scheinen Kirchtürme mit Zinnen zu sein.

Sudbury lag quasi direkt neben dem Zeltplatz, so daß wir am Morgen schnell dort waren. Bedingt durch die Zeitdifferenz wachen wir sowieso immer vor sieben auf und schaffen es meist, bis spätestens neun alles zusammengepackt zu haben. Zum Frühstück schmeißen wir den Kocher nicht extra an, sondern es gibt Müsli (sehr lecker, geschummelterweise aus Deutschland mitgebracht, drei zusammengemixte Sorten) oder Brot und Wasser oder Milch.

Um in Sudbury die Touri-Info zu finden haben wir etwas länger gebraucht - es war nur für Autofahrer ausgeschildert und man wurde im Kreis um die Info herumgeschickt, bis die Schilder plötzlich ganz aufhörten und wir sie nur mit einigem Raten fanden. In der Info befand sich eine sehr nette ältere Dame mit grauem Zopf, die, als sie hörte, daß ich aus Deutschland komme, auch einige niedlich ausgesprochene Sätze Deutsch konnte, aber leider keine Ahnung von einer Fahrradstrecke Richtung Cambridge hatte. Sie hätte uns höchstens eine Karte mit Rundwegen in Suffolk verkaufen können.

Außerdem habe ich sie nach Spiritus gefragt. Mit Hilfe einer aus dem Nebenraum herbeigerufenen Kollegin fanden wir heraus, daß der Campingkocher Spirit, den ich suchte, wohl "methylated spirit" sein müsste, und sie rief extra ein Geschäft an, ob sie es vorrätig hätten.

Wenn wir gewußt hätten, daß es dort eine sichere Fahrradparkmöglichkeit gibt, hätte ich mir gerne noch das Gainsborough-Museum angeguckt, aber so früh am Morgen hatten wir keine Lust auf komplizierte Parkplatzsuche und sind weiter gefahren, erstmal ohne Spirit. Die Hügel wurden langgezogener, aber nicht höher als in Küstennähe. Dadurch sah die Landschaft nicht mehr ganz so wellig aus wie vorher, und es tauchten nun auch Rapsfelder auf, allerdings gab es so gut wie keine Mohnblumen am Wegrand mehr (dafür aber jede Menge Schafgarbe).

Bei unserer ersten Pause in/neben einem Pavillon auf einer Dorfwiese kamen drei kleine Jungs ganz interessiert an und fragten uns aus, über woher und wohin und wieso denn das Rad so lang sei, wieso es zwei Sättel habe und wie schnell es denn führe etc.. Es gab endlich einigen Sonnenschein. Ein kurzhosiger radelnder Postbote mit Zopf, den wir vorher überholt hatten, fuhr an uns vorbei.

In Stambourne gab es dann wieder eine kurze Müsliriegel- und Kirchenphotographierpause, denn endlich schien mal die Sonne, als wir an einer Burgturmkirche vorbeikamen. Es war nicht die schönste, sie war auch relativ klein, aber Sonne ist eben auch wichtig.

Ein größerer Ort lag noch auf unserem Weg nach Cambridge: Haverhill. Dort landeten wir zum Mittagessen in einem Imbiss im Industriegebiet mit interessant durcheinander gewürfelter Kundschaft: eine extrem dünne Frau mit rundem Mann und Baby, zwei Typen, irgendwo zwischen Punk und Arbeiter, die mit ihren Handys herumspielten, drei Handwerkerkollegen in der Mittagspause und einige Büromenschen. Die Wände waren interessant gestrichen: oberhalb der an der Wand entlang mäandernden Kabelkanäle fliederfarben, darunter hellblau. Oder war es anders herum? Wir bekamen Tee und Sandwiches auf origninell kombiniertem Geschirr, von edlem chinesisch blau-weiß gemustertem Porzellanteller bis zu Teebechern mit Logoaufdruck (letztere nicht besonders gut gespült, kam öfter vor). Mein Cajun-Huhn Sandwich hat mir gut gefallen, Siegfried war von seinem in Bacon gewickelten Flügeltier nicht so begeistert.

Danach sind wir durch das Industriegebiet ins Zentrum, Spiritus suchen in der Fußgängerzone. Bei dem riesigen Coop gab's keinen. Ein Verkäufer meinte, vielleicht bei Coop Chemists und schickte uns dorthin. Ach so, Superglue für den Anhängerreflektor, der uns gleich am ersten Tag beim Einfädeln des Anhängers ins Zugabteil abgesprungen war, haben wir auch gekauft. Die war einfacher zu finden. Auf dem Weg zum Chemist kamen wir dann noch an einem Wanderladen, Millets, vorbei, wo Siegfried nur in die Tür guckte und wir beide glatt vergaßen, nach Spiritus zu fragen. Bei Boots nebenan gab es keinen und bei dem anderen Chemist dann auch nicht. Allerdings immer sehr freundliche Tips, wo wir vielleicht welchen bekommen könnten. Die hatte Siegfried inzwischen auch schon von einem Paar vor dem Coop Chemist - der Mann spach mit einem leichten kreolischen (?) Akzent.Haverhill Jedenfalls wusste er sofort, wo wir unseren "Meth" kaufen sollten, bei einem Hardware Store um die Ecke und der zudem noch auf dem Weg zu unserem nächsten Etappenziel (Wratting) lag, den er uns auch gleich beschrieb.

Nach dem riesigen Hardwarestore, bei dem wir dann wirklich Spiritus bekamen, ging es ohne Zwischenfälle weiter nach Cambridge. Ein neuer Hauswandtyp tauchte an diesem Tag (jedenfalls in meinem Bewußtsein) auf: verputzt mit kleinen Formen, die wahrscheinlich mit Schablonen in den feuchten Putz gedrückt wurden. Sieht putzig aus. Kurz vor Cambridge in West Wratting machten wir dann nochmal Halt bei einem gemütlichen Dorfpub. Allerdings gingen wir in den Salon und nicht den Barbereich. Wir hatten leider zu wenig Ahnung von englischer Pubkultur. Mein erstes englisches Bitter bekam ich trotzdem, und Siegfried sehr süße Zitronenbrause und Kaffee aus einer Mackintosh-Stil Cafetière. Bis Cambridge war es nicht mehr weit. Dort trafen wir auf Unmengen von Radfahrern jeden Alters, viele waren wohl Studenten. Wie uns später jemand erklärte dürfen Studenten in Cambridge wohl kein Auto besitzen und brauchen deshalb ein Rad, um rechtzeitig zu ihren Vorlesungen zu kommen.

Erstmals hatte eine Stadt ein Radwegenetz und sogar Schilder, u.a. Richtung Zentrum, die allerdings ab und zu fehlten, wo man sie gebraucht hätte. Schließlich fanden wir das Zentrum trotzdem. Nun ging das gleiche Spiel mit den Touri-Info Wegweisern los. Der Touri-Info Pakistani war dann ausgesprochen unfreundlich und ahnungslos. Als wir am zweiten Tag nochmal dort waren, um nach Radwegen nach Wales zu fragen, meinte er doch glatt, es wäre nicht möglich, mit dem Rad nach Wales zu fahren. Naja, wir werden ja sehen. (Vielleicht dachte er, wir wollten eine Tagestour dorthin machen?) Auf jeden Fall ist es lustig, wenn der Mann, der einen zu England beraten soll, einen stärkeren Akzent in seinem Englisch hat als man selbst.
Zeltplatz
Zeltplatz in Trumpington außerhalb der Stadt, zwei Nächte, am Rand einer großen Wiese. Erster Kontakt mit einem Supermarkt, den Siegfried super fand: Waitrose.

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