Island im Nordwesten

Sa., 24.07.1992 - Immer noch auf dem Pass

Wir wachen heute schon um 6:00 Uhr auf - kein Wunder. Nachts hat sich der Regen verstärkt. Immer wieder lässt der Regen für zehn Minuten nach, nur um danach wieder stärker zu werden. Auch der Wind nimmt noch zu. Schon um 9:00 Uhr sind wir weich gekocht. Wir überlegen sogar schon bei der nächsten Regenpause uns auf den Rückweg zu machen. Wir haben dem englischen Wetterbericht entnommen, dass es auf ganz Island regnet. Im Norden ist es zwischen 5-10 Grad kühl und im Süden 7-14 Grad kühl. Im Hochland im Landesinnern ist es noch kälter. 68 Stunden Die Ausrüstung schwächelt jetzt auch langsam.Ab und an verirrt sich ein Tropfen ins Zeltinnere und im Außenzelt stehen Pfützen. Alles um das Zelt herum und unter dem Zelt ist total durchgeweicht. Schlimmer wiegt jedoch, dass wir von der Einstellung her, nicht mit der Situation fertig werden. Gegen Mittag gehe ich mit Fleecepulli und Regenjacke bekleidet (den Rest schenke ich mir) Tee wegbringen. Über 5m weit habe ich noch nie gepinkelt. Das nur zum Wind. Langsam versinkt alles im Wasser! Hilfe.

Es wird wieder Nachmittag. Gegen 16:30 Uhr merke ich wieder, wie der Regen nachlässt und gegen 17:00 Uhr ist sogar der Nebel weg. Dirk feiert Island gleich wieder als großes Land mit majestätischen Fjorden. Ich bleibe skeptisch. Noch ist alles nass (der dunkle Rand der Isomatte wird immer breiter) und noch ist nicht morgen! Und richtig um 17:30 Uhr ist es wieder ein Wichsland!! Die Regenpause ist nämlich schon nach 15 Minuten vorbei. Der Regen nimmt noch einmal zu und wir wollen morgen, wenn wir die Innenzeltnähte 60 Stunden studiert haben, zurücktrampen. Aus die Maus. Rausgeschmissen Geld. Um 19:00 Uhr gibt es Bohnensuppe mit Dill (Wiener Art), Brot und Belag. Wir brauchen es eh nicht mehr. Immer wieder kommt bei mir oder Dirk noch einmal Hoffnung auf. Aber im Herzen ist mir längst alles egal. Wenn man wenigstens ab und zu vor das Zelt könnte. Wenn die Isomatte nicht immer mehr durchweichen würde. Wenn sichere Aussicht auf Besserung wäre. Wenn - aber wenn nicht machen wir uns morgen auf den Rückweg. Punkt.

Und Schwupps geht es wieder besser. Ein Wechselbad der Gefühle. Gegen 21:00 Uhr stottert der Regen noch etwas, schwillt noch einmal an und dann plötzlich ist alles ruhig. Da fasse ich mir ein Herz und ziehe mich an. Ich hole Wasser und sitze lange auf einem Stein und Blicke auf den Fjord hinunter. Ein kleines Fischerboot fährt langsam in den Fjord und um mich herum spielen zwei Vögel verstecken. Leider habe ich keinen Fotoapparat dabei. Zurück zum Zelt möchte ich auch nicht, weil ich die Stimmung nicht enden soll. Letztlich gehe ich jedoch zum Zelt zurück. Dirk hat sich am See rasiert - war der vor zwei Tagen schon dort? Danach spülen wir und waschen unsere Sportsachen (Häh? - ich verstehe es heute auch nicht mehr.) Sie sollen im Schlafsack trocknen. Wir nutzen den jetzt wieder akzeptablen Radioempfang und lesen noch etwas. Morgen, wenn es das Wetter zulässt, gehen wir natürlich weiter!!! - sonst warten wir eben weiter. Auch meine Skepsis ist verflogen. Der kurze Augenblick auf dem Stein hat gereicht. Die 1500,- DM (750 Euro) Reisekosten, die uns so oft durch den Kopf gegangen sind, sind plötzlich kein Thema mehr.

So., 26.07.1992 - Wir verlassen den Pass!!

Endlich weg 11:15 Uhr:Dirk macht sich gerade fertig. Nicht etwa, dass sich das gute Wetter gehalten hätte - ganz im Gegenteil. Das Wasser treibt uns aus dem Zelt. Seit 8:30 Uhr hat der Regen allerdings aufgehört, nur der Nebel ist geblieben - leider ist es jetzt auch noch kalt. Als das Zelt abgebaut ist, stehen wir vor einem kleinen Teich 1,20m x 2,20m. Das Wasser steht in diesem Rechteck gut 5cm hoch. Erstaunlich, dass der Zeltboden das gut 60 Stunden mitgemacht hat. Geschlafen haben wir jedenfalls in der letzten Nacht erstaunlich gut.

Der Weg hinunter ist gar nicht so weit. Dem hohen nassen Gras halten die Schuhe nur eine halbe Stunde stand. Bald sehen wir eine einzelne Farm und auch Schafe sind hier und da zu erkennen. Die Weiden im Tal halten uns ungemein auf. Überall sind tiefe breite Gräben gezogen, über die wir nicht hinweg kommen und die von weitem nicht auszumachen sind. Eine Bauerstochter hilft uns aus dem Labyrinth. So erreichen wir dann doch noch die Straße. Jetzt müssen wir uns entscheiden. Ich schlage Tagestouren vor. Wenn wir noch etwas aus dem Urlaub machen wollen, müssen wir improvisieren. Unser Ziel die nordwestlichste Ecke Islands werden wir auf keinen Fall mehr erreichen, wir müssen ja auch noch zurück. So nimmt Dirk meinen Vorschlag auf und wir gehen weiter Richtung Norden. An diesem Tag sind wir auch nicht allein unterwegs. Zwei Hunde schließen sich uns an. Sie wirken freundlich und vorsichtig und so kann ich mit Ihnen leben. Sie wirken vertraut mit der Umgebung und ich mache mir um sie keine Sorgen - ganz anders sieht das mit uns aus. Zuerst meiden wir die Hügel, wir wollen vorankommen und die Schuhe trocken(er) laufen. Die Unbekümmertheit der Hunde überträgt sich ein wenig auf uns. Trotzdem überlassen wir den Hunden den 3-4 Autos hinterher zu jagen, die an uns vorbeifahren. Erst verstecken sie sich im Graben und jagen dann dem Auto einen "riesen Schrecken" ein, wenn sie laut bellend aus dem Graben hervorspringen. Auch das eine oder andere Schaf ist nicht vor Ihnen sicher. Ein weiterer Pass wird über die sichere Strasse angegangen. Als die Asphaltdecke aufhört, verlassen wir kurz danach die Strasse und begeben uns wieder etwas höher. Es ist den ganzen Tag neblig, windig und natürlich nass! Die Sonne sehen wir nicht - und das jetzt schon den vierten Tag. Als wir zwischen zwei Seen einen halbwegs flachen Hügel erreichen, prüfen wir das Gefälle auf beiden Seiten und befinden den Platz als sicher. Die Hunde sind anhänglicher als wir dachten und machen keine Anstalten von unserer Seite zu weichen. Wir bauen unser Lager. Mein Schlafsack ist leider etwas durchfeuchtet. Meine Socken werden so wohl nicht trocknen. Die nassen Schuhe stehen im Vorzelt unter der Gorejacke, damit wenigstens kein Wasser oben rein laufen kann. Trocknen werden sie bei der Luftfeuchtigkeit wohl kaum. Solange wir wach sind versuchen wir die Hunde aus dem Zelt zu halten. Nachts drückt sich jedoch einer unter dem Zelteingang durch und schläft im Vorzelt. Dirk hat, wie ich glaube unnötigerweise Mitleid, ich finde diesen nassen, stinkenden Gesellen, einfach etwas eklig.

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