Schottland - West Highland Way

Do., 17.08.1989 - Plan C wird geboren

Es wird wohl wieder ein Postkartentag. Definitiv kein Postkartenwetter!!! Heute lachen wir nicht mehr. Dirk ist (denkt er jedenfalls) auf dem absoluten Nullpunkt. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, eine Nacht zu verlängern, beschäftigen wir uns mit Ausrüstungspflege (waschen), Geldbeschaffung und Geld ausgeben - ESSEN. Nichts hilft besser gegen Frust. Morgen wollen wir nach Fort William trampen. Nach einem ausgiebigen Mahl soll es dann in die Berge Richtung Kyle of Lochalsh gehen. Kein Haus, keine Siedlung und vor allem kein Ausweg auf eine Straße zum trampen, Regen hin oder her. - Soweit die Theorie, abends im Pub.

Fr., 18.08.1989 - Plan B wird angegangen

Natürlich regnet es weiter. So packen wir unsere sieben Sachen im Zelt zusammen. Der andere wartet derweil im Trockenraum. Die Fahrt nach Fort William klappt recht gut. Bei der Auswahl eines Lokals verhauen wir uns grässlich. So eine teure wie schlechte Pizza habe ich wohl nachher nie wieder gegessen. Wenigstens ist es viel, sodass wir uns das Abendbrot sparen können. Nach einem Fußmarsch an die Ortsgrenze warten wir ewig bis uns dann doch noch ein Farmer Richtung Berge mitnimmt. Er prophezeit "wet and windy Conditions" für den nächsten Tag. Nach einer kurzen Tour in den Wald finden wir rasch einen Schlafplatz direkt neben einem plätschernden Bach. Als die Dämmerung langsam einsetzt ist es mit der Idylle allerdings schnell vorbei. Ungeachtet des Autans stürzen sich Myriaden von Mücken auf uns. War wohl doch keine gute Idee so nah am Wasser das Zelt zu errichten. Gut das wir auch noch "Wilma" mithaben. Weniger gut ist der Geruch, aber es hilft tatsächlich. So schlafen wir vorsichtig optimistisch ein.

Sa., 19.09.1989 - Expedition, erster und letzter Versuch!

Das Geplätscher des Baches hat uns super schlafen lassen. Morgens um halb-acht ist von den Mücken nichts zu sehen und es regnet mal nicht!! Kaum ist das Wilma abgewaschen, kommen die Mücken zurück. Und mit Ihnen der Regen. Es nieselt allerdings nur kurz und wir lassen uns unseren Optimismus nicht nehmen. Kurz vor 10:00 Uhr machen wir uns auf den Weg. Das Zelt ist sogar halbwegs trocken - das erste Mal!!!!! Kurze Zeit später setzt erneut Regen ein. Von Nieseln kann allerdings keine Rede mehr sein. Dann werden wir von einem Jeep eingeholt und von den Insassen bezüglich unserer Route befragt - es ist Jagdseason. Vorsicht scheint geboten. Um 11:00 Uhr ist mein rechter Schuh voller Wasser, eine Stunde später auch der andere. Kein Wunder, denn es gibt bald keinen trockenen Weg mehr. Zwischenzeitlich schlägt die Verzweiflung für kurze Zeit in Übermut um, und wir rennen/plantschen wie die Kinder und singen und schreien. Der Wind bläst uns mal ins Gesicht, mal steht er vor uns wie eine Wand. Wir gehen am Hang. Versuchen dem immer tiefer werdenden Boden zu entkommen, indem wir von Grasbüschel zu Grasbüschel steigen. Dann kommt der Wind aber plötzlich von der Seite und wir geraten immer mehr ins Straucheln. Nach dreieinhalb Stunden geben wir auf. Der Himmel zieht immer mehr zu und es sieht nach Gewitter aus. Wir stolpern nur noch vor uns hin und haben noch nicht einmal den ersten Hügel überwunden. Uns ist alles egal, wir sind eh durch und durch nass und wollen nur noch weg. Keine zwei Stunden später stehen wir wieder an unserem alten Zeltplatz. Der Regen hat mittlerweile etwas nachgelassen und wird bis 17:00 Uhr ganz aufhören. Wir spannen dann eine Leine und hängen unsere kompletten Monturen drüber. Keiner von uns beiden hat noch einen trockenen Faden am Leib. Der Bach hat einen halben Meter höheren Wasserstand. Um unsere Ausrüstung sieht es kaum besser aus. Meine Fahrkarte ist einigermaßen trocken. Die Papiere und das Geld trocknen wir über dem Brenner nach dem Kochen. Dirks Schlafsack hat es auch wieder erwischt. Meiner ist innen noch halbwegs trocken. Die Mücken haben scheinbar schon sehnsüchtig auf uns gewartet, denn wir werden überschwänglich begrüßt - Regen hin oder her.

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Über Anregungen und Kommentare freut sich Siegfried Schlawin .

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